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Weißstörche in der Region Hannover im Jahre 2018

Störche in Grasdorf Horstpaar mit fünf Jungstörchen in Grasdorf  (H.J. Körber)

Im letzten Jahrzehnt ist die Zahl der überwinternden Störche stetig gestiegen. Im vergangenen Winter wurde mit 15 Winterstörchen (13 davon Brutvögel!) ein Höchstwert erreicht. Anfang Januar hielten sich bis zu 12 Störche in der Aueniederung zwischen Bokeloh, Idensen und Mesmerode auf. Die Erklärung lag in der optimalen Nahrungssituation. Durch die Nässe des vergangenen Jahres stand das Grünland in den Talauen aber auch die Flutmulden Oberkante Unterlippe unter Wasser. Für luftatmende Wirbellose, vor allem die Regenwürmer bedeutete das, dass sie sich sichtbar für ihre Fressfeinde an der Oberfläche aufhalten mussten. Sie wurden von den Winterstörchen in Massen aufgesammelt.

Beeinflusst von dem zunächst milden Winter kehrten die ersten Westzieher schon Ende Januar Anfang Februar zurück. Nicht immer ist bei solchen Frühankömmlingen klar, ob sie wirklich in Spanien gewesen sind. In Mitteleuropa gibt es heute attraktive Nahrungsplätze wie Müllkippen oder sonstige Futterstellen (Tiergehege), wo Störche problemlos über den Winter kommen können. Durch den Kälteeinbruch ab Mitte Februar verzögerte sich der Heimzug. Ab dem 3. März mit abklingender Kälte setzte für 14 Tage ein intensiver Zug ein. Mitte März waren die Westzieher ziemlich vollzählig auf ihren Nestern. Inzwischen gehören zu ihnen mehr als 60 % aller Brutpaare in der Region.

Der Rückzug der Ostzieher verlief zunächst bis in die Höhe von Istanbul reibungslos. In der letzten Märzdekade gab es dann einen Kälteeinruch südlich der Karpaten. Er hinderte viele Störche daran,das Gebirge in nördliche Richtung zu queren. Sie mussten pausieren. Bedingt durch diese Wetterlage kamen die Ostzieher dann später über den ganzen April verteilt zu ihren Nestern zurück.

Auffällig war in diesem Jahr, dass Mitte April vermehrt brutwillige, vermutlich jüngere Störche Neugründungen vornahmen. In Altgarbsen und Bilm bezogen Paare ältere  Masthilfen, in Bredenbeck und Koldingen wurden jeweils auf Kaminen Nester gebaut. In Gleidingen ist eine Esse nur kurzzeitig besetzt gewesen, in Dolgen bauten Störche am Ende der Saison auf einem E-Mast. Für eine Brut war es da allerdings zu spät. Auffällig war, dass zunehmend der Süden und Südosten der Region besiedelt wird – in Räumen, wo es zum Teil seit Jahrzehnten keine Störche mehr gegeben hat und wo Ackernutzung dominiert.

Weißstörche bei Wulfshorst auf Nahrungssuche  (Reinhard Löhmer)

Ein Drama spielte sich in Meyenfeld ab. Der männliche Storch, von der Bevölkerung „Karl“ genannt, hatte sich im August eine Flügelverletzung zugezogen. Da er noch voll flugfähig war, konnte er nicht eingefangen und behandelt werden. Er stand häufig an der B 6 und wurde von vielen besorgten Autofahren gemeldet. Den Winter hat er gut überstanden. Mitte März kam seine Partnerin vom Vorjahr zurück und beide schritten normal zur Brut. Ende April tauchte dann ein Fremdstorch auf, dem „Karl“ nach kurzem Kampf Partnerin und Nest samt Gelege überlassen musste. Er ist seitdem verschollen. Eine Ersatzbrut gab es nicht mehr.

Im Sommer hatten auch die Störche ihre Probleme mit dem Wetter. Da sie als Weitstreckenzieher in großer Zahl in der Sahelzone überwintern, sind sie an Hitze und Dürre angepasst. Was nicht stimmte, war das Nahrungsangebot. Die Feldmäuse hatten sich nach dem nassen Winter bis zum Sommer noch nicht wieder erholt. Regenwürmer gab es nur im April in ausreichender Menge, so dass die früh geschlüpften Jungen anfangs noch gut versorgt werden konnten. Die Ende Mai / Anfang Juni geschlüpften Jungen konnten nur unzureichend versorgt werden. Das Nahrungsangebot wurde erst wieder besser, als es Heuschrecken in größerer Menge gab. Die Probleme mit der Versorgung der Jungen schlugen sich im Bruterfolg nieder.

Insgesamt gab es in der Region Hannover 61 Brutpaare - nochmals zwei mehr als im vergangenen Jahr. 50 Paare brüteten erfolgreich. Nur 11 Paare (18 %) blieben ohne Nachwuchs. Aus mehr als 2/3 aller Nester sind nur ein oder zwei Junge ausgeflogen, was ein Beleg für die Futterknappheit gewesen ist. Acht Dreier- und vier Vierer-Bruten „schönen“ die Statistik. Überraschend waren die Bestmarken mit jeweils fünf Jungen in Grasdorf und Luthe.  Mit 1,87 Jungen pro alle Paare liegt das Brutergebnis knapp über dem langjährigen Mittel.

Der nochmalige Zuwachs an Paaren belegt den weiterhin positiven Trend in der Population, der auch in den Nachbarkreisen zu beobachten ist. Nach dem Tiefststand mit nur sieben besetzten Nestern im Jahre 1987 ist der Bestand kontinuierlich wieder gewachsen – allein im letzten Jahrzehnt sogar um mehr als das Doppelte!

Überraschend und wieder durch die mit der Trockenheit verbundene Nahrungsknappheit bedingt, haben alle Störche jung wie alt unmittelbar nach Abschluss der Brutzeit die Region verlassen. Selbst langjährige Überwinterer sind seit September nicht mehr vor Ort. Besonders ungewöhnlich ist dabei der Fall des 23-jährigen männlichen Brutstorchs in Bokeloh, der seit 2002 nicht mehr gezogen war. Ob die vorjährigen Winterstörche im Frühjahr zurückkehren, bleibt abzuwarten.

Dr. Reinhard Löhmer

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