Pilzen gehört die Zukunft

Die feuchten Wochen im Herbst 2023 haben überall Pilze sprießen lassen. Sie sind aber nur der oberirdische Fruchtkörper eines oft riesigen Pilzmyzels, das im Wald- oder Wiesenboden, in und an Bäumen oder Totholz wächst. Viele Pilze ernähren Bäume mit Nährstoffen, transportieren lebensnotwendiges Wasser und bekommen im Austausch Zucker für die eigene Entwicklung.
Einige Pilzarten wachsen in enger Gemeinschaft mit bestimmten Bäumen: Der Fliegenpilz mit Laub- oder Nadelbäumen und der Birkenpilz mit Birken. Das für uns unsichtbare Netz der Pilzhyphen im Boden und ihre Symbiose mit den Pflanzenwurzeln wird Mykorrhiza genannt. Andere Pilze gehören zu den Zersetzern. So zum Beispiel der Hallimasch, der lebende – aber oft bereits geschwächte Bäume befällt und großen Schaden anrichten kann. Andere Zersetzer sind spezialisiert auf abgestorbenes Holz und ermöglichen, dass sich Totholz zersetzt und zu wertvollem Humus wird. Humus ist Lebensraum unzähliger Mikroorganismen, die für die Fruchtbarkeit von Böden wichtig sind. Im Humus werden Wasser und Nährstoffe gespeichert.

Es gibt aber auch unbeliebte Pilze: Tomaten- und Kartoffelfans fürchten die Pilze der Braun- und Krautfäule, die innerhalb von wenigen Tagen die gesamten Pflanzen zerstören können. Unsere Experten vom Projekt Nutzpflanzenvielfalt geben Tipps, welche biologischen Maßnahmen vorbeugend dagegen helfen.

Ansprechpartner

Florian Gade

gade@oesml.org

Pilze sammeln und per App bestimmen

Wer Pilze zum Essen sammelt, sollte unbedingt ausreichend Fachkenntnisse haben. Immer wieder werden (tödlich) giftige oder unverträgliche Pilze mit den essbaren Doppelgängern verwechselt; denn nicht immer schmecken und riechen sie schlecht. So duftet der bereits in geringen Mengen tödlich wirkende Grüne Knollenblätterpilz nach Kunsthonig. 2024 wird die kostenlose Bestimmungsapp „ID-Logics“, welche von Prof. Jorge Groß (Leibniz Universität Hannover) entwickelt wurde, durch die Artengruppe der Pilze erweitert. Insbesondere junge und technikbegeisterte Menschen wird so die Möglichkeit geboten, ihre Artenkenntnisse im Reich der Pilze auszubauen und Pilze zu bestimmen.

Das zugehörige Projekt wurde in Kooperation mit Herrn Prof. Groß und der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) durchgeführt und von der Bingo-Umweltstiftung gefördert. Leitung des Projektes hatte der BUND Landesverband Niedersachsen. Die kostenlose Erweiterung der Pilze ist jetzt erhältlich und umfasst 300 Arten oder Gattungen.

Die App ID-Logics kann heruntergeladen werden im Applestore oder im Playstore.
Hier gibt es die Pilz-App neben vielen weiteren Artenbestimmungs-Apps zum Download.

Auch hier gilt: „Eine sichere Bestimmung einer Pilzart ist für Laien auch mit einer App häufig nicht möglich! Insbesondere bei Speisepilzen muss immer eine Pilzkontrolle durch einen Pilzsachverständigen (DGfM) durchgeführt werden“, erklärt Florian Gade von der Ökologischen Station Mittleres Leinetal (ÖSML), der für den BUND an der Entwicklung der App zuständig ist.

Exkursionen und Pilzkorbkontrollen

Bereits in 2023 konnten Interessierte die App gemeinsam mit Florian Gade im Deister ausprobieren. Abbildungen und bildhafte Beschreibungen in der App führten meist zügig dazu, dass auch Laien ihre gefundenen Exemplare bestimmen konnten. Welche Pilze dabei auch für den Verzehr geeignet waren, wurde von Florian Gade aber penibel überprüft. Diese Pilzwanderungen sind hoffentlich auch weiterhin in Kooperation mit der ÖSML und dem BUND Region Hannover geplant. Regelmäßige Pilzkorbkontrollen finden außerdem bei der ÖSML statt.

Mit Pilzen lässt es sich übrigens auch gut färben, wie auf der Website der DGfM zu lesen ist. Das wird jedes Jahr von der Pilzgruppe an einem Stand beim Endeckertag im Wisendgehege sehr anschaulich präsentiert. Und natürlich lassen sich einige Arten der Speisepilze auch selber anziehen und ernten.

Hier zu sehen: mit sehr beeindruckenden Pilzfarben gefärbte Wolle der Pilzgruppe des Fördervereins des Wisentgeheges.

Junge Menschen als Expertennachwuchs für Pilze begeistern...

Vor allem aber ist es wichtig, junge Menschen für Pilze zu begeistern und Expertennachwuchs zu gewinnen, denn Pilzen gehört die Zukunft: So können Pilze DIE Baustoffe der Zukunft werden. Hier ein Link zu Baustoffen der Zukunft. Wer sich in die unglaublich vielfältige und spannende Welt der Pilze vertiefen möchte, sollte Kontakt mit der DGfM - der Deutschen Gesellschaft für Mykologie - aufnehmen und dort nach Aktiven in der Region Hannover fragen. 

Aus Pilzen können natürlich medizinische Wirkstoffe gewonnen werden. So gibt es aus der chinesischen Tradition eine ganze Reihe gesundheitsfördernder Pilze. Und wir alle kennen Penizillin, ein Antibiotikum, aus Pilzen gewonnen, dass erst in den 1940er Jahren als Heilmittel gegen schwere bakterielle Erkrankungen erfolgreich eingeführt wurde und seither Leben rettet. Aber wir kennen auch die Kehrseite zunehmender Antibiotikaresistenzen, wenn permanent Antibiotika an Menschen und Tiere verabreicht werden. Das RKI spricht allein in Deutschland von knapp 10.000 Toten im Jahr aufgrund solcher Resistenzen.

Foto: Baumpilze sind wichtiger Bestandteil der Artenvielfalt in einem Waldökosystem

In einer naturnahen, pfluglosen Landwirtschaft spielen Mykorrhizapilze für ein vitales Pflanzenwachstum eine wichtige Rolle. Arbuskuläre Mykorrhizapilze (AMF) helfen Pflanzen zudem bei der Aufnahme von Phosphat (P) und gelten als Schlüssel nachhaltiger Agrarökosysteme, zumal P ein wertvoller, begrenzter Rohstoff ist. Neue Forschungsergebnisse aus 2021/2022 haben gezeigt, dass der Einsatz von Fungiziden auf Ackerflächen die P- Aufnahme in den Ackerflächen um 43 % reduziert. (Literaturquelle)

Und dank der vielen unterschiedlichen Pilzarten mit ihrem weit verzweigten Geflecht im Boden kann ein Waldökosystem vital bleiben, was angesichts des Klimawandels von herausragender Bedeutung ist. Wenn aber die Sommer immer heißer und trockner werden leiden Pilze und damit ihre wichtigen Funktionen in Ökosystemen. Der Sommer und Herbst 2023 hat uns allerdings eine Fülle wunderbarer Pilze beschert.

Florian Gade und Sibylle Maurer-Wohlatz

BUND-Bestellkorb