BUND Region Hannover
Mitglied werden Jetzt spenden
BUND Region Hannover

Die Weißstorch - Brutsaison 2009 in der Region Hannover

Vorbemerkung

Der im vergangenen Jahr festgestellte sprunghafte Anstieg auf 27 Brutpaare hat sich nicht fortgesetzt oder stabilisiert. Es war zu erwarten, dass die verspäteten, überwiegend sehr jungen Neusiedler nicht in voller Zahl zurückkehren würden. 2009 gab es in der Region Hannover „nur“ noch 24 mit Paaren besetzte Nester - eine Anzahl, die den bisherigen Tiefstpunkt der Population im Jahre 1988 mit 8 Paaren um das Dreifache überschreitet.  

Diese Daten spiegeln den Aufwärtstrend der Weltpopulation in den beiden vergangenen Jahrzehnten wider. Eine Entwicklung, die wesentlich auf bessere Lebensbedingungen in den afrikanischen Winterquartieren zurückzuführen ist.

Vor 50 Jahren war die Zahl der Brutpaare in der Region unwesentlich höher (1958 = 29 Paare). Die Dichte der 1930er Jahre wird allerdings bei weitem nicht erreicht  (1934 = 55 Paare).

Winterstörche

In diesem Winter sind nur die Blumenauer Störche zurückgeblieben. Die Brutvögel aus Bokeloh und Idensen sind anders als in den Vorjahren Mitte September 2008 doch noch weg gezogen. Ihrem Rückkehrdatum nach waren sie nach Südwesten vermutlich in den iberischen Raum ausgewichen. 

Das Blumenauer Brutpaar hat sich im Winterhalbjahr viel auf der Müllkippe in Kolenfeld aufgehalten. Die dreizehnjährige Störchin hat aber offensichtlich den Kälteeinbruch im Januar/Februar nicht überstanden. Sie wurde letztmals am 21.Januar mit ihrem Partner auf dem Nest gesehen und ist seitdem verschollen. Damit ist der „unruhige“ Lebensweg dieses von menschlicher Einflussnahme stark geprägten Vogels beendet.

Die Störchin wurde 1995 im Vogelpark Bad Rothenfelde geboren und beringt. Sie ist dort 1996 entflogen und 1999 erstmals im Gebiet der „Unteren Leine“ aufgetaucht. Als Vierjährige war sie zunächst in Wulfelade mit einem vierzehnjährigen Storch aus dem Storchendorf Rühstädt (Elbe) verpaart. Im Jahr 2000 brütete sie mit einem unberingten Partner in Neustadt. 2001 wechselte sie dann nach Idensen zu einem fünfjährigen Storch von der Weser (Jössen). 2002 war sie, inzwischen im siebten Lebensjahr, wieder in Neustadt; dieses Mal verpaart mit einem vierjährigen Elsässer aus Guermange. Im Jahre 2003 siedelte sie in Blumenau mit dem Partner, mit dem sie in Idensen zwei Jahre zuvor bereits verpaart war. Die Bindung an Nest und diesen Partner hielt fünf Jahre und wurde im Juni 2007 durch den Unfalltod des Männchens nach einer Kollision mit einer Transall beendet. Schon im März 2008 fand sich Ersatz in einem dreijährigen Männchen aus dem Zoo Münster ein, mit dem sie bis zum Januar 2009 zusammen blieb.

Damit hat die 13-jährige Störchin 10 Brutversuche an vier verschiedenen Orten im Raum Neustadt/Wunstorf mit fünf verschiedenen Männchen unternommen. Sie hat damit über die Norm  Nester und Partner gewechselt. Die Hälfte aller Bruten blieb ohne Nachwuchs. Fünf erfolgreiche Bruten mit insgesamt 9 Jungen belegen, dass sie mit weniger als einem Jungen pro Jahr nicht sonderlich reproduktiv war.

Seit 1999 hat sie immer vor Ort überwintert. Vermutlich ist sie auch davor nie gezogen – ein Verhalten, das für in Gefangenschaft geborene Störche nicht untypisch ist. Zwei ihrer insgesamt fünf Partner hat sie „überredet“, mit ihr den Winter vor Ort und an den Deponien in Kolenfeld und Sachsenhagen zu verbringen. Die Störchin ist ein Beispiel dafür, dass die Einflussnahme des Menschen durch Gefangenschaftsvermehrung oder Fütterung arttypische biologische Abläufe wie das Zugverhalten nachhaltig verändern kann. Anthropogene Manipulationen dieser Art münden längerfristig in einen Domestikationsprozess ein, der die Biologie des Weißstorchs als Weitstreckenzieher verändern wird. Leider wird das an oberster Stelle im niedersächsischen Natur- und Artenschutz nicht so gesehen!

Seit Einführung der Mülltrennung und der Umsetzung der EU-Bestimmungen für die Abfallbeseitigung im Jahre 2005 haben unsere Deponien immer weniger Verwertbares für Kommensalen zu bieten. Die Versorgung aus dem Restmüll wird schwieriger für sie und erschwert damit die Überwinterung bei länger anhaltenden Wintereinbrüchen.

 

Rückkehr und Horstbesetzung       

Die ersten „Westzieher“ sind in diesem Jahr im Raum Hannover noch bei Frostwetter ab Mitte Februar eingetroffen. Die übrigen dann bis Mitte März. Die Rückkehr der „Ostzieher“ erfolgte vergleichsweise früh, d.h. schon ab Ende März. Bis Ende April waren 24 Nester mit Paaren besetzt  –  drei  weniger als 2008. Nicht wieder besetzt wurde der Horst in Brase. In Isernhagen KB ist das brutwillige Paar noch im April bei Kämpfen verdrängt worden. In Brelingen behauptete sich ein Einzelstorch, der Artgenossen mehrfach abwehrte. In Burgdorf ließ sich Anfang April nur für wenige Tage ein Paar sehen. Den Sommer über blieb es bei sporadischen Besuchen.

In den „Wülfeler Wiesen“ richtete sich ein zusätzliches Paar ein. Zwei weitere Störche  mit Interesse an dem Wilkenburger Nest  wurden von den Nachbarn aus Wülfel bzw. Alt-Laatzen nicht geduldet und vertrieben. 2009 war die „Südliche Leineaue“ mit 5 Brutpaaren in etwa so dicht besiedelt wie in den 1930er Jahren. Ein Zeichen dafür, dass die Leineaue zwischen Koldigen und Döhren mit einem hohen Grünlandanteil, zahlreichen Gewässern (Teiche, Flutmulden) sowie vielen Busch-/Randsäumen für Störche einen attraktiven Lebensraum darstellt.   

Brutverlauf und Bruterfolg

Die früh heimkehrenden Westzieher haben teilweise schon in der letzten Märzdekade mit der Brut begonnen (Idensen, Bokeloh, Schloß Ricklingen, Helstorf). Entsprechend früh sind die Jungen dort geschlüpft und zum Teil schon Anfang Juli ausgeflogen. In anderen Nestern wie in Niedernstöcken begann die Brut erst Ende April. Die beiden Jungen waren dementsprechend erst Anfang August flügge.

Der Winter, vor allem aber der April war zu trocken. Wie im vergangenen Jahr fehlten damit in der frühen Phase der Jungenaufzucht die Regenwürmer. Auch Großinsekten und Feldmäuse waren kaum vorhanden. Bei Nahrungsmangel reduziert sich die Zahl der Jungstörche im Nest. Nur die älteren, erstgeschlüpften Jungen können dann noch ausreichend mit Futter versorgt werden. Die Witterung um Pfingsten, die Schafskälte verbunden mit anhaltendem Niederschlag waren ein weiterer Faktor für den insgesamt geringen oder ausgebliebenen Bruterfolg im Jahre 2009. Schließlich hat es in diesem Jahr auch noch vermehrt Storchenkämpfe gegeben. In Luthe und  Bordenau gingen dabei die Gelege zu Bruch.

Allen Widrigkeiten zum Trotz sind in Schloß Ricklingen und in Bokeloh jeweils vier Jungstörche ausgeflogen. Drei Junge waren es in Wulfelade, Wülfel, Grasdorf, Arpke und Meitze.

In neun Nestern gab es immerhin noch zwei Junge und in Stelingen einen Jungvogel.

Insgesamt haben 17 Paare insgesamt 42 Junge aufgezogen. Sieben Paare (ca. 29 Prozent aller Paare) sind ohne Nachwuchs geblieben.

Das Jahr 2009 ist von 24 besetzten Nestern her gesehen noch als erfreulich einzuordnen, auch wenn drei Paare weniger als 2008 zu verzeichnen waren. Mit 42 Jungen gab es im Vergleich zum Vorjahr sogar acht Jungstörche mehr. Mit ca. 1,8 Jungen bezogen auf alle Paare wurde ein Wert erreicht, der dem langjährigen Mittel in der Region Hannover entspricht und der deutlich höher lag als in vielen Nachbarkreisen wie z.B. Minden-Lübbecke, Nienburg oder Celle.   

Es bleibt abzuwarten, ob die Zahl der Brutpaare in der Region Hannover Bestand haben wird, denn der begrenzende Faktor für eine weiterhin stabile Population bleibt nach wie vor das Angebot an „storchfähigem“ Lebensraum (siehe Leineaue) und die Verfügbarkeit von Nahrung. Hier sieht es (leider!) nicht so gut aus, weil es einen Mangel an (Feucht-) Grünland in extensiver Nutzung und an strukturreicher Landschaft gibt.

Hinweis: Zu den Störchen in der „Südlichen Leineaue“ wird am 27.06.2010 (09.00 -12.00 Uhr wieder eine Fahrrad-Exkursion durchgeführt

Dr. Reinhard Löhmer

BUND-Bestellkorb