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Die Weißstorch-Brutsaison 2008 in der Region Hannover

Der positive Trend im Bestand des Weiß­storchs hat sich 2008 fortgesetzt. Im Ver­gleich zum Vorjahr gab es sogar einen sprunghaften Zuwachs an Brutpaaren von mehr als 25 Prozent. Ursache hierfür waren die Störche, die nach der „Stamm“-Population noch Ende April/Anfang Mai in der Region eingetroffen sind. Sie waren überwiegend jung an der Grenze zur Brutreife. Normaler­weise kehren solche Vögel noch nicht ins Brutgebiet zurück. Sie bezogen Nester, die schon längere Zeit unbesetzt geblieben waren oder besetzten Nisthilfen, auf denen es noch nie Störche gegeben hatte. Erwar­tungsgemäß siedelten die Spätankömmlinge an pessimalen Standorten, da die besseren Plätze bereits besetzt waren.

Horstbesetzung

Die Tendenz, am Brutplatz zu überwintern, hat angehalten. Die zwölfjährige Blumenauer Störchin (1995 in einem Vogelpark aufgewachsen und nie gezogen) hat den Winter allein verbracht, nach­dem ihr Partner im vergangenen Sommer bei der Kollision mit einer Transall der Bundeswehr tödlich verunglückt war. Der Storch in Bokeloh (1995 in Windheim an der Weser geboren und seit 2001 vor Ort überwinternd) hat seine Partne­rin nach der zweiten gemeinsamen Brutsaison ebenfalls zum Bleiben „überredet“. Zu der Gruppe der „Winterstörche“ kam das Idensener Paar neu hinzu. Sie haben sich erstmals den Weg nach Spanien „geschenkt“.

Die ersten „Westzieher“, die heute im Raum zwischen Südfrankreich und Südspanien über­wiegend an Müllkippen überwintern, sind in diesem Jahr schon ab Mitte Februar eingetrof­fen. Bis Mitte März waren bereits sechs Nester an der Leine von Laatzen bis Helstorf mit Paaren besetzt. Auf sechs weiteren Horsten warteten Einzelstörche auf einen Partner. Auch die „Ost­zieher“ waren früher dran als sonst. Die ersten Vögel trafen in der letzten Märzdekade ein. Bis Mitte April waren dann die Nester wie im Vorjahr besetzt.

Überraschend und unerwartet kam es Ende April/Anfang Mai nochmals zu einem Einflug überwiegend jüngerer Störche. Einige von ihnen besetzten Nester, ohne zu brüten (Niedern­stöcken, Isernhagen KB). Andere unternahmen noch (überwiegend erfolglose) Brutversuche (Brase, Burgdorf, Obershagen). Nur das Paar, das erstmals auf der Masthilfe in Dedenhausen gebrütet hat, zog noch ein Junges erfolgreich auf.

Insgesamt gab es 27 Brutpaare, sechs mehr als 2007, und in etwa so viele wie in den 1960er Jahren. Die Karte zeigt, dass fast 60 Prozent aller Nester im Leinetal und entlang der Wunstorfer Aue zu finden sind. Die Mitte und der Osten der Region sind deutlich dünner besiedelt. Warum aber das Nest in Dollbergen jetzt schon im fünften Jahr unbesetzt geblieben ist, bleibt allerdings angesichts der guten Qualität des Lebensraumes im Fuh­setal und dem gegenwärtigen Populationsdruck ein Rätsel.

Brutverlauf und Bruterfolg

Die Überwinterer in Idensen und Bokeloh hatten bereits Ende der zweiten Märzdekade mit der Brut begonnen. Sie wurden zum Monatsende von einem Kälteeinbruch überrascht und brüte­ten in verschneiten Nestern. Es ist möglich, dass der fehlende Nachwuchs in Idensen und der geringe Bruterfolg in Bokeloh (nur ein Jungvogel) ihre Ursachen in der kalten Witterung hatten.

Die bis Mitte April eingetroffenen Störche hatten zunächst eine störungsfreie Brut mit dem Schlupf von Jungen ab Anfang Mai. Es zeich­nete sich ein guter Bruterfolg ab. Leider gab es dann von Mitte Mai bis Mitte Juni eine zu große Trockenheit. Ohne Niederschläge waren die Regenwürmer, die in der Ernährung gerade auch der frisch geschlüpften Jungen eine wichtige Rolle spielen, nicht verfügbar. Großinsekten (Käfer, Heuschrecken) standen als Ersatz zu dieser Jahreszeit noch nicht zur Verfügung und die Feldmauspopulation hatte sich nach der Winternässe auch noch nicht erholt. Es herrschte Nahrungs- und zum Teil auch Wasserman­gel. In einer solchen Situation bekommen die älteren, stärkeren Geschwister im Nest den Löwenanteil vom wenigen Futter. Die Jüngeren kümmern, werden abgeworfen oder auch von den Eltern aufgefressen (Kronismus). Überall dort in der Region, wo die Brut erfolglos war wie in Bordenau, Burgdorf, Hänigsen, Obershagen und Schulenburg oder wo nur ein Jungstorch (8 Nester) bzw. wo nur zwei Junge (4 Nester) überlebt haben, kann davon ausgegangen werden, dass zwei oder mehr Nestgeschwister an Unterernäh­rung und Nierenversagen umgekommen sind. Störche legen in aller Regel vier Eier, aus denen auch alle Jungvögel entsprechend des Eiablagedatums zeitversetzt schlüpfen. Wie viele von ihnen letztendlich ausfliegen, entscheiden drei Faktoren: die Witterung und das Nahrungs­angebot der Saison, aber vor allem auch die biologische Fitness der Eltern.

Von den 27 Brutpaaren blieben aus den genannten Gründen ein Drittel ohne Nachwuchs. Damit ist die Definition für „Störungsjahr“ erfüllt. 18 Paare haben 34 Junge aufgezogen (2007: 21 Paare mit 38 Jungen). Das ist vergleichsweise wenig. Am produktivsten waren in diesem Jahr die vier Paare in der Südlichen Leineaue. Dort gab es keinen Ausfall und mit elf ausgeflogenen Jungen auch noch einen Bruterfolg, der sich deutlich von dem in anderen Gebieten der Region abhob. Bei genauerer Betrachtung der Talaue zwischen Wülfel und Rethen wird schnell sichtbar, dass die ökologische Ausstattung dieser halboffenen Landschaft mit den vielen Saumstrukturen, dem hohen Grünlandanteil, den Flutmulden und vielen Gewässern dem Storch, vor allem aber auch seinen Beutetieren sehr entgegenkommt. Hier konnten die Auswirkungen der Trockenheit noch am besten kompensiert werden.

Das Jahr 2008 ist von dem Zuwachs brutwilli­ger Störche her gesehen als sehr erfreulich einzuordnen. Weniger gut war die Reproduktion des Jahrganges, was die Zukunft des Bestandes unsicher macht. Skepsis ist auch deswegen angebracht, weil es einen deutlichen Mangel an „storchfähigem“ Lebensraum in weiten Teilen der Region gibt, was gerade in diesem Jahr durch die Besiedlung pessimaler Standorte deutlich geworden ist.

Dr. Reinhard Löhmer

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