Artenschutz in Gefahr: BUND widerspricht der Region

01. Juli 2025 | Artenschutz

Um eine Industriebrache in Dollbergen zu bebauen, hat die Region Hannover dem Investor eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zur Tötung von Eidechsen erteilt. Dagegen hat der BUND Region Hannover gemeinsam mit dem BUND Landesverband Niedersachsen e.V. gestern seinen Widerspruch mit einer ausführlichen Begründung eingelegt. Mangelhafte Unterlagen mit offensichtlich falschen Behauptungen, nicht berücksichtigte Kartierungsergebnisse und die Nichtbeachtung entsprechender Vorgaben und Gerichtsurteile sowie komplett fehlende Untersuchungen machen die Ausnahmegenehmigung rechtlich nicht haltbar. Mit entsprechenden Konzepten für den Artenschutz könnten hier zwar Altlasten saniert werden, für die Gewerbenutzung müssen dagegen andere verträgliche Standorte gesucht werden. So könnten naturschutzfachlich hochwertige Lebensräume geschützt und gleichzeitig wertvolle Ackerflächen erhalten bleiben.

Hannover, 01.07.2025. – In Dollbergen im Osten der Region Hannover soll ein ehemaliges Industriegelände (Gasoline) in mehreren Abschnitten wieder nutzbar gemacht werden.  Für den ersten Bauabschnitt sollen 3,2 Hektar des Gasoline-Geländes als Gewerbegebiet ausgewiesen und dafür rund 6 Hektar Ackerflächen für Ausgleichsmaßnahmen aus der Nutzung genommen werden.  Das seit 1956 stillgelegte Gelände ist allerdings naturschutzfachlich sehr bedeutsam für viele seltene und gefährdete Arten und Biotope: unter anderen für Fledermäuse wie Braune Langohren sowie für Brutvögel offener Lebensräume und Höhlenbrüter. Laut dem Niedersächsischem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) lebt hier eine der größten Zauneidechsen-Populationen Niedersachsens.

Der BUND Region Hannover setzt sich deshalb seit vielen Jahren für den Schutz des Geländes ein. Selbst eine schonende und abschnittsweise Sanierung der mit Altlasten belasteten Fläche ist in Verbindung mit der Wiederherstellung der Lebensräume denkbar. Eine Ausweitung des Gewerbegebiets und damit den dauerhaften Verlust des naturschutzfachlich wertvollen Geländes lehnt der BUND aber ab. Doch trotz unserer kritischen Stellungnahmen zu dem geplanten Vorhaben von 2011 und 2023 sowie einschlägiger Gerichtsurteile zum Artenschutz wurden die Planungen weiter vorangetrieben. Unsere letzte Stellungnahme haben wir am 25. Februar 2025 abgegeben. Am 5. März 2025 endete das Verfahren und schon am 14. März 2025 hat die Region Hannover eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Tötung von Zauneidechsen erteilt!

Darin wird das sogenannte Sicherungskonzept für die Zauneidechse als überzeugend bezeichnet. Dieses geht von „etwas über 30 Individuen“ in den aktuell beplanten Bereich aus, obwohl in der zugehörigen Karte selbst deutlich mehr als 30 Nachweise dargestellt sind. Insgesamt gehen selbst die eigenen Gutachter und der Artenschutzfachbeitrag von etwa 1000 Tieren aus, was aber angesichts der zahlreichen Nachweise viel zu gering angesetzt ist. Auch an anderen Stellen widersprechen sich die Unterlagen, teilweise sogar auf derselben Seite. Auf aktuelle Fachliteratur (z. B. aktuelle Roten Listen oder gültige Bewertungsstandards für Zauneidechsen) wird vielfach verzichtet.

Als Ersatzfläche für die Umsiedlung der Eidechsen soll in diesem Fall ein stark beschatteter ehemaliger Acker dienen. Dieser ist jedoch ungeeignet. Deshalb ist davon auszugehen, dass noch mehr als bei anderen Umsiedlungen viele der umgesiedelten Eidechsen langsam verenden. Andere nachgewiesene gefährdete Arten werden bei der Ermittlung der Ausgleichsmaßnahmen gar nicht erst berücksichtigt. Selbst einfachste Maßnahmen wie Nisthilfen für Sperlinge werden ausdrücklich als überflüssig abgelehnt.

Auch das Vorhaben selbst erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine artenschutzrechtliche Ausnahme. So sind die Behauptungen, dass geschützte Arten nicht beeinträchtigt werden und es in der Region Hannover keine alternativen Flächen gibt, offensichtlich falsch. Selbst die sogenannten Erhaltungszustände der Zauneidechse gibt die Region Hannover falsch an!

Als wesentlicher Grund für die Überplanung des Gasoline-Geländes wird die Einsparung von Ackerflächen genannt. Allerdings spricht auch dies gegen das geplante Vorhaben. Denn trotz der fehlerhaften Eingriffsermittlung und -bilanzierung sind fast doppelt so viel Ackerflächen für Ausgleichsmaßnahmen einplant, wie für den B-Plan vorgesehen sind (rund 6 Hektar Ausgleichsflächen für 3,2 Hektar Gewerbegebiet). Bei der Wahl eines artenschutzrechtlich unbedenklichen und waldfreien Standortes sind dagegen oft gar keine externen Flächen nötig. Die gesamte beanspruchte Ackerfläche wäre also deutlich kleiner und würde lediglich das eigentliche Gewerbegebiet betreffen.

Die leicht zu widerlegenden Behauptungen, die Verschleierung und Missachtung von Kartierungsergebnissen in Kombination mit gar nicht erst vorgenommenen Untersuchungen (z. B. Detektorerfassungen von Fledermäusen, Kartierungen von Höhlenbäumen), die fehlende Berücksichtigung aktueller Roter Listen und gefährdeter Brutvögel (Nachtigall, Bluthänfling und andere) sowie die gravierenden Abwägungsfehler können durchaus als Angriff auf den Artenschutz und die Eingriffsregelung an sich aufgefasst werden.

Auch deshalb haben der BUND Region Hannover und der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. gemeinsam Widerspruch gegen die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde der Region Hannover eingelegt. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Region Hannover unseren Widerspruch ablehnt und wir gezwungen sind, gegen die Ausnahmegenehmigung zu klagen.

 

Rückfragen:

René Hertwig, rene.hertwig@bund-region-hannover.de

BUND Region Hannover
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30161 Hannover
Tel.: 0511 / 660093
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