Blühpatenschaften: Gutes tun - aber richtig!
Das Insektensterben, lange ein Thema nur von einer naturschutzengagierten Minderheit, ist jetzt von einem großen Teil der Gesellschaft als gravierendes Problem erkannt. Sowohl die Vielfalt der Arten als auch die Menge der Insekten insgesamt gehen dramatisch zurück. Eine andere Agrarpolitik und andere Gesetze müssen her; auch das wird von sehr vielen mit Recht so gesehen.
Aber kann man nicht auch daneben ganz praktisch und sofort im Kleinen etwas für die Insektenvielfalt tun? Ein Ansatz, der zunehmend Schule macht, sind Blühpatenschaften: Bauern stellen Flächen zur Verfügung, auf denen für Wildbienen und Honigbienen, Schmetterlinge, Schwebfliegen und viele andere eine Mischung aus blühenden Pflanzen eingesät wird. Die Kosten hierfür (Ertragsausfall, Saatgut, Arbeitsaufwand) übernehmen Menschen, die das als „Paten“ unterstützen wollen. Gibt man den Begriff „Blühpatenschaft“ in eine Suchmaschine ein, erhält man eine unübersehbare Vielzahl an Angeboten.
So einfach und überzeugend die Idee zu sein scheint, so unterschiedlich sind aber diese Projekte. Hier gibt es alles: Von „wirklich gut gemacht“ bis „leider nur gut gemeint“, von großem Idealismus bis zur allzu cleveren Geschäftemacherei.
Wie lässt sich die Spreu vom Weizen trennen und wie lassen sich Blühpatenschafts-Projekte erkennen, die den Insekten und der Natur insgesamt wirklich nützen? Fünf Fragen helfen hier bei der Bewertung.
1. Sind die Blühflächen mehrjährig angelegt?
Viele Landwirte legen, auch ohne Blühpatenschaften, kurzlebige Blühflächen an. Dies ist eine Möglichkeit, die Verpflichtung der EU zu erfüllen, auf fünf Prozent des Betriebes ökologische Vorrangflächen einzurichten (Greening). Meist wird bis Ende Mai eine Blühmischung ausgesät, die im Hochsommer dann einige Wochen blüht und ab September schon wieder umgepflügt werden kann.
Solch ein kurzes „Strohfeuer“ ist vielleicht besser als nichts, nutzt aber nur sehr wenigen anpassungsfähigen Insektenarten. Blütenbesuchende Insekten, die im Frühling und im Frühsommer fliegen (z. B. viele Wildbienen), finden hier noch keine Nahrung. Insekten, die sich an den Pflanzen entwickeln (z. B. Schmetterlingsraupen), die im Boden nisten (z. B. nistet die Mehrzahl der Wildbienen im Boden) oder die auf der Fläche überwintern wollen, werden bei der Bodenbearbeitung im Herbst vernichtet.
Kurzlebige Blühflächen, wie sie viele Landwirte ohnehin für das Greening anlegen, mit Blühpatenschaften zu unterstützen, ist deshalb nicht empfehlenswert. Sehr wertvoll können dagegen mehrjährige Blühflächen sein, die mindestens über drei Jahre, besser jedoch über mindestens fünf Jahre angelegt werden. Sie werden nur am Anfang eingesät und dann bis zum Ende nicht umgepflügt. Insekten finden hier über die ganze Vegetationszeit Blüten. Sie können ihren ganzen Lebenszyklus hier durchlaufen.
Erwähnt sei, dass es speziell zum Schutz von Feldvögeln auch weitere Modelle gibt, die fachlich sinnvoll und erprobt sind, z. B. eine Kombination von ein- und mehrjährigen Blühflächen für Rebhühner.
2. Werden artenreiche, hochwertige Wildpflanzenmischungen verwendet?
Insekten sind oft auf ganz bestimmte Pflanzenfamilien, -gattungen oder -arten angewiesen. Zum Beispiel können viele Schmetterlingsraupen nur an bestimmten Pflanzen fressen und viele Wildbienen können Pollen ausschließlich an speziellen Pflanzenarten sammeln. Insektenartenreichtum braucht deshalb Pflanzenartenreichtum. Eine besondere Bedeutung haben dabei heimische Wildpflanzen.
Voraussetzung für wertvolle Blühflächen ist die Verwendung einer artenreichen, hochwertigen Saatmischung aus einjährigen, zweijährigen sowie mehrjährigen Arten, insbesondere Wildpflanzenarten. Da die Herstellung von Wildpflanzensamen sehr arbeitsintensiv ist, haben solche Mischungen allerdings notwendigerweise ihren Preis. Wichtig ist auch die Verwendung einer Wildpflanzen-Samenmischung aus zertifizierter regionaler Herkunft (Regiosaatgut).
Tatsächlich verwendet wird dagegen oft eine Mischung aus nur 10-12 einjährigen Kulturpflanzen, deren Saatgut billig produziert werden kann. Selbst wenn solche kurzlebigen Aussaaten im Herbst nicht umgepflügt werden, ist von den ohnehin schon artenarmen Beständen an blühenden Pflanzen im nächsten Jahr meist kaum noch etwas übrig.
Die Aussaat von nur wenigen Kulturarten mit einer Blühpatenschaft zu unterstützen kann nicht empfohlen werden. Zwar sind Saatmischungen mit eindrucksvoll langen Artenlisten auch noch kein Garant für einen am Ende artenreichen Bestand, denn die Handhabung von Wildpflanzen-Saatgut ist durchaus anspruchsvoll, die Auswahl muss passen und auch das Wetter muss mitspielen. Sicher ist aber, dass aus einer artenarmen Mischung aus einjährigen Blühpflanzen keine artenreiche Blühfläche werden kann.
3. Ist die Höhe der Kostenbeiträge fair?
Der Kostenbeitrag, der von den Blühpaten bezahlt wird, ist unterschiedlich hoch. Oft werden z.B. 40, 50, 80 oder sogar 150 € für 100 m² pro Jahr gefordert. So kommen pro Hektar 4000 bis 15000 € an Einnahmen zusammen.
Eine solch hohe Summe zu zahlen kann nicht empfohlen werden. Bei vergleichbaren vom Land geförderten Maßnahmen („Agrarumweltmaßnahmen“) wird der Aufwand für einjährige Blühflächen mit bis zu 800 € pro Hektar und von mehrjährigen Blühflächen mit bis zu 975 € pro Hektar vergütet. Auch wenn man die Kosten für Öffentlichkeitsarbeit, Organisation und etwaige Gegenleistungen für die Blühpaten wie ein Blühfest oder ein Glas Honig berücksichtigt, ist ein Kostenbeitrag von über 20 € für 100 m² pro Jahr sehr erklärungsbedürftig.
4. Finden Pflegeschnitte jeweils nur auf Teilflächen statt?
Auf mehrjährigen Blühflächen wird fachlich ein Pflegeschnitt, in der Regel nach Ende der Brutzeit, empfohlen. Dadurch kann der Pflanzenartenreichtum gefördert und auch die Blütezeit verlängert werden. Wichtig ist aber, dass solche Pflegeschnitte nur auf Teilflächen stattfinden. Eine Komplettmahd würde dazu führen, dass Insekten und ihre Entwicklungsstadien, die an den Pflanzen leben, auf der ganzen Fläche geschädigt werden und keine Bereiche haben, in denen sie überdauern oder in die sie ausweichen können.
5. Werden für die Blühflächen keine wertvollen Lebensräume zerstört?
Im Normalfall werden mit Blühpatenschaften Maßnahmen auf Ackerflächen unterstützt. Es gibt aber auch Fälle, wo auf bisherigem Rasen, Grünland oder langjährigen Brachen eine Blühmischung eingesät wird. In solchen Fällen ist äußerste Skepsis geboten, denn oft ist die Vegetation hier durchaus wertvoll. Zum Beispiel können Rasenflächen in manchen Fällen ausgesprochen artenreich sein. Dann würde es der Natur viel mehr nützen, wenn einfach etwas seltener gemäht würde. Bei Blühpatenschaften muss absolut ausgeschlossen sein, dass durch die Maßnahme wertvolle Lebensräume zerstört werden.