Das Großschutzprojekt "Hannoversche Moorgeest"

Aktuelles

Projekt Hannoversche Moorgeest noch bis 2027 verlängert

Ein Film bei Youtube über die Hannoversche Moorgeest zeigt den aktuellen Stand des Life Projekts, dass noch bis 2027 verlängert worden ist.

Mittlerweile - Stand Februar 2024 - sind die vier großen, über 8000 Jahre alten Moore in der nordhannoverschen Region bereits zum überwiegenden Teil wiedervernässt und sind daher wichtiger Bestandteil auch der Klimaschutzstrategie in der Region, denn sie können wieder Kohlenstoff speichern statt - wie bei den entwässerten Moorflächen - je nach Bewirtschaftung ein bis drei Zentimenter Torf pro Jahr zu verlieren. 

Das Schwarze Moor ist zu 100 Prozent wieder vernässt; das Otternhagener Moor zu 85 Prozent, das Bissendorfer zu 60 Prozent und beim Helstorfer Moor beginnen die Arbeit im August 2024. Es gibt also immernoch viel zu tun. Der lang anhaltende Regen hat im Winter 2023/2024 sehr dabei geholfen, die Wasserspeicher in den bereits vernässten Mooren aufzufüllen.

Neben den genannten Mooren gibt es in Nordhannover noch viele weitere wertvolle torfhaltige Böden, die durch eine angepasste Bewirtschaftungsweise auch für den Klimaschutz gerettet werden könnten. Das wird ein wichtiges Thema für unsere Arbeit in den nächsten Monaten und Jahren sein.

Hier im Helstorfer Moor (Foto) werden im Rahmen von Arbeitseinsätzen zwischen Anfang Oktober und 15. Februar Bäume gefällt, damit diese nicht weiterhin Wasser aus dem Moor ziehen. Insbesondere Birken transpirieren eine enorme Menge Wasser. Hier mehr von der AG Naturfotografie von einer Exkursion zum Helstorfer Moor.

Neues von der Hannoverschen Moorgeest

Im Winterhalbjahr 2021/2022 konnten die Staumaßnahmen im kleinsten Moor, dem Schwarzen Moor abgeschlossen werden. Seit 2022 wird in Otternhagen gearbeitet, ab August in Bissendorf. In Helstorf ist der Maßnahmenbeginn für August 2023 geplant. Von März bis Juli herrscht aus Schutzgründen Ruhe in den Mooren. Aufgrund der letzten niederschlagsarmen Jahre sind die Staumaßnahmen bisher nur begrenzt sichtbar. Das wird sich ändern, wenn künftig das Regenwasser in den Torfkörpern nach Plan zurückgehalten wird. In vielen Teilen der Moore wird sich durch die Vernässung die ökologische Substanz verbessern. Es wird wieder Torfmooswachstum geben. Die Moore erhalten ihre Funktion als Kohlenstoffsenke zurück – allerdings nicht kurzfristig, weil Pflanze und Tier sich zunächst an die geänderten (also optimierten) Standort-/Nässebedingungen anpassen müssen. Bis auf weiteres wird es notwendig bleiben, zur Offenhaltung wertvoller (Teil-)Lebensräume den Aufwuchs von Birken und Kiefern zu beseitigen. Die Samen dieser Bäume sind über die Jahre millionenfach verteilt worden. Sie bleiben lange keimfähig und haben durch die Nährstoffeinträge weiterhin gute Wuchsbedingungen, solange die Wasserstände ihre Wurzelbereiche nicht dauerhaft vernässen. Die ehrenamtliche Mit- und Zuarbeit der Faunistische Arbeitsgemeinschaft Moore (FAM) und anderer Moorschützer bleibt weiterhin gefragt. Wer einmal einen Pflegeeinsatz im Moor mitgemacht und entkusselt hat, wird die Atmosphäre genossen haben. 

Das (vorläufige) Fazit des LIFE+-Naturschutzprojektes Hannoversche Moorgeest fällt gemischt aus. Einerseits ist es zu begrüßen, dass die Moore nun vernässt werden zum Wohle von Biodiversiät und Klimaschutz. Andererseits ist zu bemängeln, dass die Umsetzung solch essentieller Vorhaben viel zu lange dauert! Im Grunde sind 25 Jahre vergangen von der Idee bis zum Bau des ersten LIFE+-Dammes. An diesem Verfahren zeigt sich erneut, dass unser Ordnungsrecht zu komplex und schwerfällig ist. Dem Widerstand einzelner Grundeigentümern bis hin zu den Totalverweigerern wird zu viel Raum gegeben. Initiativen zur Beschleunigung von Planungen und Verfahren sind nicht wirklich zu erkennen. Erfahrungsgemäß muss auch in anderen degenerierten Handtorfstich-Mooren in der Region wie Altwarmbüchen (Ost) oder Oldhorst mit einem ähnlichen Widerstand einiger Eigentümern gerechnet werden. In ihrem Bewusstsein dürfte nicht verankert sein, dass aus dem entwässerten Torfgrund permanent CO2 entweicht – circa 20 Tonnen pro Hektar pro Jahr – zu unser aller Schaden! Niemand will ihnen ihr Eigentum wegnehmen. Sie müssten lediglich der oberflächennahen Vernässung zustimmen. Der BUND und andere Verbände sind in den LIFE+-Mooren mit den Gestattungsverträgen mit gutem Beispiel vorangegangen.

Dr. Reinhard Löhmer

Steckbrief

EU-LIFE+ Projekt „Hannoversche Moorgeest“

18.03.2020. Die so genannten „Handtorfstich“-Moore im Norden von Hannover sind von besonderem ökologischen Wert. Das hatte bereits eine in den 1970er Jahren durchgeführte naturschutzfachliche Bewertung von 88 Hochmooren in Niedersachsen ergeben, die als Grundlage für das Moorschutzprogramm dienen sollte. Platz 1 belegte damals das Bissendorfer Moor, Otternhagen folgte auf Platz 3 und Helstorf auf Platz 10. Um diese Wertigkeit zu erhalten und zu verbessern, wurden ab Mitte der 70er Jahre Pflegemaßnahmen durch die Faunistische Arbeitsgemeinschaft Moore (FAM) in Kooperation mit dem amtlichen Naturschutz durchgeführt. In Handarbeit werden dabei – bis heute! – Gräben gestaut und aufkommende Birken und Kiefern entkusselt, um die offenen Bereiche, in den drei Mooren zu sichern.

Seit den 1990er Jahren ist dennoch klar, dass die Verbuschung der verbliebenen Hochmoorflächen ohne eine Wiedervernässung nicht aufzuhalten ist. Die guten Wuchsbedingungen der Bäume können nur durch umfassende Staumaßnahmen mit dem Einsatz von Maschinen eingeschränkt werden. Für solche Maßnahmen mussten Mittel aus größeren Schutzprogrammen rekrutiert werden. Langjährige Bemühungen führten schließlich dazu, dass die genannten Moore ab 2007 in einem Großschutzprojekt des Bundesamtes für Naturschutz gefördert werden konnten. 2011 scheiterte das Projekt am Widerstand der Landwirtschaft im Umfeld der Moore und nicht zuletzt am damaligen Umweltministerium. Ein Neuanfang der Hochmoorrenaturierung gelang schließlich über einen Antrag des Landes beim EU-LIFE+ Natur-Programm im September 2012: Die Europäische Komission bewilligte das Projekt mit einer Laufzeit von elf Jahren und einem Finanzvolumen von 11,6 Millionen Euro unter der Federführung des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, kurz NLWKN. Bis zum Jahr 2023 muss das Projekt umgesetzt sein. Das Kerngebiet umfasst 2.919 Hektar in den drei Teilbereichen Schwarzes Moor (168 ha), Otternhagener / Helstorfer Moor (1.765 ha) und Bissendorfer Moor (986 ha).

Mit 8,5 Millionen Euro trägt die EU rund 75 Prozent der Gesamtkosten, das Land Niedersachsen trägt 20 Prozent und die Region Hannover fünf Prozent der Kosten. Das LIFE+ Projekt setzt voraus, dass die Moorflächen im Eigentum des Landes Niedersachsen sind, um sie überhaupt wiedervernässen zu können. Über ein Flurberei-nigungsverfahren muss das Land die Moorflächen durch Kauf, Tausch oder Gestattungsverträge erwerben, bei Letzterem erklären sich die Eigentümer mit den Maßnahmen einverstanden. Neben privaten Grundstückseigentümern haben auch Verbände, Kirchen und Kommunen Grundeigentum in der Hannoverschen Moorgeest. Auch dem BUND Niedersachsen gehören rund 12 Hektar Moor – der Landesverband muss wie andere öffentliche Organisationen die Maßnahmen ohne Ausgleich gestatten.

Dr. Reinhard Löhmer

 

Historie des Projekts

Die naturschutzfachliche Qualität der Hochmoore im Norden  von Hannover („Bissendorfer-, Otternhagener-, Schwarzes – und Helstorfer- Moor“) ist seit langem bekannt. Herausragend ist ihre biologische Substanz. Ihre Lage zueinander bietet zudem optimale Voraussetzungen für eine ökologische Vernetzung. Engagierte Naturschützer wie Konrad Buchwald, Hans Heider und vor allem Ernst Preising vom „Bund für Naturschutz und Landschaftspflege in Niedersachsen“, der Vorgängerorganisation des BUND, hatten in den 1960- und 1970er Jahren im Schulterschluss mit der damaligen Naturschutzverwaltung wesentlichen Anteil daran, dass es im „Bissendorfer Moor“ nicht zu der 1955 beantragten industriellen Abtorfung gekommen ist (OVG-LG, 1973). Damit konnte die biologische, aber auch die morphologische Qualität dieses Moores vor der Zerstörung bewahrt werden. Das war ein großer und wichtiger Erfolg für den niedersächsischen Moorschutz.

 

Niedersächsisches Moorschutzprogramm

Im Vorlauf zum „Niedersächsisches Moorschutzprogramm I“ (MSP I, 1981) wurden in der 1970er Jahren die 88 größten und wichtigsten Hochmoore in Niedersachsen sowohl aus Sicht des Naturschutzes als auch der Rohstoffgewinnung untersucht und bewertet, um bestehende Konflikte zwischen industriellem Torfabbau und dem Naturschutz einer Lösung zuzuführen. Dabei kam heraus, dass von den untersuchten Hochmooren das „Bissendorfer Moor“ den höchsten Naturschutzwert hatte. Das „Otternhagener Moor“ rangierte auf Platz drei und das „Helstorfer Moor“ immerhin noch auf Platz zehn. Für den Moorschutz waren diese Moore, die bis in die 1950er Jahre für die Brenntorfgewinnung (bäuerlicher Handtorfstich) genutzt worden waren und trotzdem wesentliche Merkmale erhalten hatten, ausgesprochene „Perlen“. Ihre landesweite naturschutzfachliche Bedeutung war durch die noch vorhandene hochmoortypische Vegetation (Torfmoose, Wollgräser, Zwergsträucher)  begründet, aber auch durch das Vorkommen vieler gefährdeter Arten unter den  Schmetterlingen, Heuschrecken, Libellen und Käfern oder Amphibien, Reptilien und Vögeln.

 

Faunistische Arbeitsgemeinschaft Moore

Seit 1972 hat sich die „Faunistische Arbeitsgemeinschaft Moore“ (FAM) in Zusammenarbeit mit den Fachbehörden um den Erhalt dieser Moore gekümmert. Mit unermüdlichem Einsatz sind in den vergangenen 30 Jahren viele Grabenstaue angelegt worden zur oberflächennahen Wiedervernässung. Gehölze (Kiefer, Birke) wurden entfernt, um die Moore als Offenbiotope mit ihren ursprünglichen Lebensgemeinschaften zu erhalten. Dies ist zumindest in Teilbereichen durchaus gelungen.

Alle genannten Moore haben das Problem, dass am Rande ihrer Torfkörper, wo ursprünglich ein Randsumpf (Laggzone) hingehört, im Zuge früherer Meliorationsmaßnahmen tiefe Entwässerungsgräben gezogen worden sind. Diese Gräben beeinträchtigen massiv den Wasserhaushalt der Moore, haben den ursprünglichen Randsumpf beseitigt und eine intensive landwirtschaftliche Nutzung bis an die Moore heran möglich gemacht. Moorschützern und Ortskennern war seit langem klar, dass zum Schutz der Moore und für ihre weitere Entwicklung (Regeneration) eine Aufhebung der Vorflut im Torfrandbereich, die Wiederherstellung einer Laggzone und die Schaffung eines landwirtschaftlich extensiv genutzten Übergangsbereichs hin zum Kulturland gehörten. Darüber hinaus wären Maßnahmen zur Förderung der ökologischen Vernetzung der Einzelmoore sehr sinnvoll gewesen. Solche Planungen, deren Durchführung wasserrechtliche Verfahren sowie Flurneuordnungen, vor allem aber das Einvernehmen aller Betroffener vorausgesetzt hätten, sind in der Vergangenheit immer wieder einmal angedacht, aber letztendlich nie wirklich angegangen worden.

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