Stellungnahme zur 5. Änderung des RROP Region Hannover

17. Januar 2024

Stellungnahme zur Öffentlichkeitsbeteiligung

Der Klimawandel ist auf der ganzen Welt und auch in Deutschland spürbar: Wie aktuell bekannt geworden ist, war das Jahr 2023 das wärmste Jahr nicht nur seit
der Aufzeichnung von Klimadaten, sondern wahrscheinlich sogar seit 100.000 Jahren. In Deutschland kann inzwischen eine durchschnittliche Temperaturerhöhung zur vorindustriellen Zeit um ca. 1,5 Grad nachgewiesen werden.

Katastrophale Wetterereignisse nehmen weiter zu und fordern auch in Deutschland Menschenleben (Hitzewellen und Überflutungskatastrophen). Das international vereinbarte Ziel, die Temperaturerhöhung möglichst auf 1,5-Grad zu begrenzen, ist in weite Ferne gerückt. Nichtsdestotrotz hat in Deutschland zur
Begrenzung der Erderwärmung der Klimaschutz auf Bundes- und Landesebene mittlerweile Eingang in die Verfassung gefunden. Das Land Niedersachsen hat
ein Klimagesetz verabschiedet. Ziel der Region Hannover ist es, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu werden. Sie übernimmt damit die Verantwortung für die
Umsetzung der Klimaschutzziele im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung und ihrer planungsrechtlichen Zuständigkeit. Das
wurde schon auf dem „sogenannten“ Klimagipfel am 8. Juli 2022 von Regionspräsident Steffen Krach unterstrichen.

Darüber hinaus muss die Energieversorgung unabhängiger, regionaler und sicherer zugleich werden. Das wird unter anderem durch den Krieg Russlands
gegen die Ukraine und die darauffolgenden Importembargos für Öl und Kohle sowie die vollkommene Abkopplung von der russischen Erdgasbelieferung
Deutschlands deutlich. Die Bundesregierung hat darauf noch im Jahr 2022 mit einer ganzen Zahl von Gesetzen und Verordnungen reagiert. Um die
Transformation des Energieversorgungssystems in allen Sektoren (Energie, Verkehr und Wärme) sowie die Energieversorgung auch im Winter sicher zu
stellen, wurden im Jahr 2023 von der Bundesregierung Förderprogramme zur Energieeinsparung in nicht gekanntem Umfang aufgelegt, weitere Gesetze wie das
GEG erlassen und im Sommer alle Erdgaskavernen gefüllt.

Inzwischen ist es das erklärte Ziel, eine vollkommene Dekarbonisierung unseres Lebens und der Wirtschaft zu erreichen, um dem rasant fortschreitenden
Klimawandel sowie der Biodiversitätskrise und dem Artensterben entgegen zu wirken. Das setzt eine umfassende Transformation der Energiewirtschaft, von
Industrie und Gewerbe, des Verkehrssektors sowie des Gebäudesektors voraus bzw. die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien, vor allem
Wind- und Solarenergie.

Die heimischen erneuerbaren Energien müssen daher schnell und in großem Umfang ausgebaut werden. Um Engpässe bei der Versorgung mit erneuerbaren
Energien in der sogenannten „Dunkelflaute“ an möglicherweise einigen Tagen im Jahr zu verhindern, muss außerdem „Grüner Wasserstoff“ erzeugt und bevorratet werden. Umweltschädliches Fracking-Gas ist keine Alternative! Die Erzeugung von Wasserstoff erfordert bei dem derzeitig gängigen Verfahren, der Elektrolyse von Wasser, sehr viel Strom, der wiederum nur erneuerbar erzeugt werden kann und daher den Strombedarf zusätzlich ansteigen lässt.

Da die 5. Änderung des RROP 2016 für das entscheidende nächste Jahrzehnt den räumlichen Rahmen für den Ausbau der Windenergienutzung in der Region
Hannover setzt, wird die Ausweisung von ca. 2,5% der Regionsfläche für Vorrangstandorte trotz der großen Eingriffe in Natur, Landschaft und
Wasserhaushalt akzeptiert. Denn nur so kann die Dekarbonisierung in der Region Hannover gelingen. Auch Energieeinsparungen können auf diese Weise in hohem Umfang durch den Einsatz energiesparender Technologien, wie z.B. der Wärmepumpe und dem Elektromotor, sowie durch eine erhebliche Verringerung
von Leitungsverlusten durch verbrauchsnahe Wind- und Solarstromerzeugung erzielt werden (regionale Kreisläufe).

Die Region Hannover will mit dem RROP die Windenergienutzung räumlich steuern und ihr gleichzeitig substanziell Raum geben, was vom BUND begrüßt
wird.

Umweltdezernent Jens Palandt hat mit seinem Team der Kreisgruppe des BUND Region Hannover sowohl die Grundzüge der Planung als auch die räumlich
konkreten Ergebnisse in insgesamt drei Sitzungen vorgestellt. Das Gleiche ist in drei Sitzungen im Umland (Neustadt a. Rbg., Lehrte, Wennigsen) und in einer
regionsweiten Online-Konferenz geschehen. Dabei ist deutlich geworden, dass nach dem gewählten Kriterienraster weitestgehend die natur- und
umweltverträglichsten Standorte ausgewählt worden sind.

Kommunen sollen weitere Flächen ausweisen können. Das kann insbesondere dann erforderlich werden, wenn geplante Vorrangflächen im jetzt laufenden
Beteiligungsverfahren scheitern sollten. Allerdings sieht der BUND hier die Gefahr, dass Kommunen eher geneigt sind, WEAs in aus Naturschutz- und
Trinkwasserschutzsicht sensible Gebiete zu planen. Daher ist es wichtig, ausreichend Vorranggebiete auf der regionalen Ebene im RROP zu sichern. Eine Möglichkeit weitere Flächen zur Verfügung zu stellen, wird vom BUND nach wie vor bei den Baubeschränkungszonen durch die Sichtflug-Korridore
entlang der A2 und der A7 gesehen.

Positiv ist anzumerken, dass von einem pauschalen Abstand von 15 km rund um die Drehfunkfeuer, den die ICAO empfiehlt, abgesehen wird. Vielmehr wird
erörtert, inwiefern der 15 km Radius differenziert werden kann. Als Ergebnis werden die Bereiche innerhalb eines 5 km Radius rund um die Drehfunkfeuer als
weiche Tabuzonen ausgewiesen. Diese Abstandsreduzierung geht erfreulicherweise sogar über die Regelungen der Bundesregierung hinaus, die sich
in den Gesetzesnovellierungen im Zuge des Osterpaketes, auf die Reduzierung von 15 km auf 6 bis 7 km geeinigt hat.1

Es ist sinnvoll, dass die aus militärischen Gründen höhenbeschränkten Gebiete weiterhin im Plan belassen wurden, obwohl sie zur Erreichung der Flächenziele
des Landes Niedersachsen nicht angerechnet werden. Für die Dekarbonisierung der regionalen Energieversorgung sind diese Flächen weiterhin von großem
Nutzen und unbedingt erforderlich. Im 2. und 3. Entwurf der 5. Änderung des RROP sind, gemäß den Vorgaben der Landes- und Bundesgesetzgebung auch Landschaftsschutzgebiete und Waldflächen nicht grundsätzlich als Tabuzonen ausgewiesen. Überwiegend sind die Planungen diesbezüglich sehr behutsam vorgenommen worden, so dass weiterhin 35 % der Regionsflächen unter strengem Schutz stehen.

Gleichwohl machen wir bezüglich der einzelgebietlichen Prüfung zu folgenden Standorten Bedenken geltend, die wir für abwägungsrelevant halten:
(1.) Die nördlich von Berkhof, östlich der Autobahn gelegene Fläche „Rundshorn“ im Fuhrberger Feld. Dort soll in einem waldreichen Gebiet, ein
Vorrangstandort ausgewiesen werden. Aufgrund des geringen Waldanteils in der Region Hannover von etwa 20 % sowie der Bedeutung des Waldes für den
Naturschutz, den Klimaschutz und die Naherholung im Ballungsraum der Landeshauptstadt Hannover sind enorme Eingriffe, wie die Errichtung von
Windenergieanlagen, hier nicht gerechtfertigt.

(2.) Die am nördlich gelegenen Rand der Region in der Wietzeaue gelegenen zwei Vorrangflächen Wietzenbruch Ost und West zerstören einen der letzten
unberührten Landschaftsräume in der Region Hannover. Diese Landschaftsräume sind für den Erhalt vielfältiger, oft vom Aussterben bedrohter Arten, auch als
Wanderbereiche unverzichtbar. Der Verlust von Arten auch in der Region Hannover ist dramatisch. Leider wurde seit Jahren versäumt, hier systematisch zu
kartieren, da es bis vor kurzer Zeit keinerlei Interessen gab, hier WEAs zu bauen. Noch im letzten Entwurf war das Gebiet Tabuzone für WEA. Auch für
Erholungssuchende gibt es fast keine Landschaftsräume mehr, die nicht verlärmt, zerschnitten und beeinträchtigt sind. Außerdem handelt es sich bei den Flächen
um ein Überschwemmungsgebiet der Wietze. Das aktuelle Hochwasser zeigt, dass Teilbereiche der Flächen unter Wasser stehen und im Notfall, beispielsweise der Havarie oder dem Brand einer Windenergieanlage, nicht erreichbar sind. Überschwemmungsgebiete (einschließlich der Risikogebiete) wie hier sind als
Standorte für Windenergieanlagen auszuschließen.

Die benannten Flächen gehören darüber hinaus zum Trinkwasserschutzgebiet Fuhrberger Feld. Sie grenzen unmittelbar an das FFH-Gebiet „Hellern bei
Wietze“, dessen prägendes Charakteristikum eine grundwasserabhängige Vegetation ist.

Nach unserer Einschätzung würde der Fundamentbau für sehr große Windenergieanlagen eine lokale Absenkung des Grundwasserspiegels für mehrere
Monate erfordern und damit je nach Entfernung zu einem Verlust des Kapillaranschlusses dieser Vegetation führen. Das würde zu einem Absterben
oder zumindest zu einer tiefgreifenden Schädigung der schon durch menschliche Eingriffe vorgeschädigten Vegetation führen und damit zu einem weiteren Verlust an Qualität und Eigenschaften des Habitats – ein nicht hinnehmbarer Verstoß gegen EU-Recht und gegen die Biodiversitäts- und Naturschutzziele von Region, Land und Bund.

Von daher ist die Ausweisung der genannten Flächen als Vorranggebiet für Windenergieanlagen auszuschließen, solange nicht durch geohydrologische und
naturschutzfachliche Gutachten zweifelsfrei feststeht, dass bei entsprechenden Baumaßnahmen eine weitere Schädigung der Vegetation mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

Zu beachten ist hierbei, dass eine zusätzliche Schädigung der Vegetation eine Minderung der Grundwasserneubildung bedingen und damit die ohnehin bereits
knappe Trinkwasserversorgung aus dem Fuhrberger Feld gefährden würde – dieses Gebiet hat schon jetzt praktisch keine Dargebotsreserven mehr, sondern ist
in Auszehrung begriffen! Von daher ist der Bau eines Windparks im Trinkwassergewinnungsgebiet mit allen Erfordernissen und Auswirkungen auch
in ein regionales Wasserversorgungskonzept mit einzubeziehen.

Es ist zu erwarten, dass es sowohl aus naturschutzfachlicher Sicht als auch für die Trinkwassergewinnung und das Landschaftserleben zu erheblichen
Beeinträchtigungen kommt. Beide Standorte widersprechen unseres Erachtens daher dem dringend gebotenen, naturverträglichen Ausbau der
Windenergienutzung und werden deshalb vom BUND-Region Hannover ohne „Wenn und Aber“ abgelehnt.

Auch wenn im Rahmen des Raumordnungsprogramms keine einzelgebietlichen Festsetzungen erfolgen können, möchte der BUND darauf drängen, dass bei allen neuen WEAs Vorkehrungen getroffen werden, den Artenschutz angemessen zu berücksichtigen, insbesondere die Fledermäuse und Vögel bestmöglich schützen. Hier gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die dafür entwickelt wurden. Ohne solche Systeme werden sonst in Deutschland rund 200.000 Fledermäuse an Windenergieanlagen auch weiterhin zu Tode kommen (Quelle Leibniz-Institut für Wildtierforschung). Da Fledermäuse unter anderen für das ökologische Gleichgewicht (Reduzierung von kulturschädlichen nachtaktiven Insekten) von enormer Bedeutung sind, ist dies zu berücksichtigen

Für die Kreisgruppe
Sibylle Maurer-Wohlatz (1. Vorstandsvorsitzende)
Udo Sahling (Vorstandsmitglied)
René Hertwig (Naturschutzreferent)

 

 

 

1 www.bmwk.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/04/20220405-mehr-flachen-fuer-windenergie-an-land.html

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