Artenschutz in Gefahr: BUND widerspricht der Region

23. Mai 2025 | Artenschutz

In Dollbergen im Osten der Region Hannover soll ein ehemaliges Industriegelände (Gasoline) in mehreren Abschnitten wieder nutzbar gemacht werden. Dieses liegt seit 1956 brach und in begünstigter Lage. Entsprechend bedeutsam ist das Gelände für viele seltene und gefährdete Arten, auch europaweit geschützte Lebensraumtypen wurden hier kartiert. Das Gelände ist unter anderen für Fledermäuse wie Braune Langohren sowie für Brutvögel offener Lebensräume und Höhlenbrüter bedeutsam. Laut dem Niedersächsischem Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) lebt hier eine der größten Zauneidechsen-Populationen Niedersachsens.

Der BUND Region Hannover setzt sich deshalb seit vielen Jahren für den Schutz des Geländes ein, was gut mit einer schonenden und abschnittsweisen Sanierung der mit Altlasten belasteten Fläche verbunden werden könnte. Doch trotz unserer kritischen Stellungnahmen (von 2011 und 2023) zu dem geplanten Vorhaben und einschlägiger Gerichtsurteile sind die Planungen weiter vorangeschritten. Unsere letzte Stellungnahme haben wir am 25. Februar 2025 abgeben. Am 5. März 2025 endete das Verfahren und schon am 14. März 2025 hat die Region Hannover eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für die Tötung von Zauneidechsen erteilt!

Darin wird das sogenannte Sicherungskonzept für die Zauneidechse als überzeugend bezeichnet. Allerdings widerspricht dies unter anderen der Einschätzung der eigenen Gutachter und dem Artenschutzfachbeitrag: Beide gehen von etwa 1.000 Zauneidechsen in den aktuell vom Vorhaben betroffenen Bereich aus (was im Vergleich mit der Fachliteratur deutlich zu gering angesetzt ist). Im sogenannten Zauneidechsen-Sicherungskonzept heißt es hingegen: "Entsprechend kann auf der Vorhabenfläche von einem Zauneidechsenbestand von mehreren Dutzend Tieren, maximal jedoch von etwas über 30 Individuen ausgegangen werden". Das dies nicht stimmt, zeigt schon die Nachweiskarte eine Seite zuvor. Dort finden sich viel mehr als 30 Zauneidechsen-Fundpunkte im aktuellen Plangebiet!

Auch an anderen Stellen widersprechen sich die Unterlagen, teilweise sogar auf derselben Seite. Auf aktuelle Fachliteratur (z. B. aktuelle Roten Listen oder gültige Bewertungsstandards für Zauneidechsen) wird vielfach verzichtet. Gut "abgearbeitet" wird aber die Rote Liste Deutschlands. Diese nennt Umsiedlungen generell und Ersatzflächen in zu geringer Qualität und Größe als wesentliche Gefährdungsursachen für Zauneidechsen.

In diesem Fall soll ein stark beschatteter ehemaliger Acker gleichzeitig als neuer Lebensraum für Arten und Biotope mit völlig unterschiedlichen Ansprüchen dienen. Andere nachgewiesene Arten werden gar nicht erwähnt - und selbst einfachste Maßnahmen wie Nisthilfen für Sperlinge werden ausdrücklich als überflüssig erklärt. Ausdrücklich abgelehnt werden auch besonders effektive und schonenden Fangmethoden für Reptilien.

Es überrascht daher nicht, dass das beauftragte Büro schon 2023 und auch 2025 ausdrücklich darauf hinweist, die nötigen Arbeiten nicht selbst durchzuführen.

Auch das Vorhaben selbst erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine artenschutzrechtliche Ausnahme (z. B. fehlende Alternativen und weitestgehende Eingriffsvermeidung). Auch das haben wir in unseren Stellungnahmen ausführlich dargelegt und auch auf die hier relevante Rechtsprechung verwiesen.

Im Antrag für die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung wird gleich zu Beginn betont, dass eine flächenhafte Sanierung der Altlast nicht verhältnismäßig wäre und dass keine Sanierungsanordnung besteht.

Ein wesentlicher Grund für die Überplanung des Gasoline-Geländes soll die Einsparung von Ackerflächen sein. Auch dies spricht gegen das geplante Vorhaben: Trotz der fehlerhaften Eingriffsermittlung und -bilanzierung sind fast doppelt so viel Ackerflächen mit Ausgleichsmaßnahmen (für Waldersatz und Artenschutz) überplant, wie für den B-Plan vorgesehen sind (5,99 ha Ausgleichsflächen für 3,2 ha Gewerbegebiet).

Bei der Wahl eines unproblematischeren Standortes sind dagegen oft gar keine externen Flächen nötig. Ein solches Beispiel zeigt sich ein kleines Stück entfernt in einem anderen Verfahren in Dollbergen: Dort werden 5,17 ha Acker überplant, weitere Flächen sind nicht nötig, die Region erhält stattdessen Ersatzgeld.

Die leicht zu widerlegenden Behauptungen, die Verschleierung und Missachtung von Kartierungs-Ergebnissen in Kombination mit gar nicht erst vorgenommenen Untersuchungen (z. B. Detektorerfassungen von Fledermäusen, Kartierungen von Höhlenbäumen) sowie die gravierenden Abwägungsfehler können durchaus als Angriff auf den Biotop- und Artenschutz sowie die Eingriffsregelung an sich aufgefasst werden.

Auch deshalb haben der BUND Region Hannover und der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. gemeinsam Widerspruch gegen die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung der Unteren Naturschutzbehörde der Region Hannover eingelegt. Unser Anwalt hat vor Kurzen weitere Unterlagen erhalten und wird die ausführliche Begründung für unseren Widerspruch nachreichen.

Unsere Stellungnahmen zum Gasoline-Gelände senden wir Ihnen auf Wunsch gerne zu. Hierzu senden Sie bitte eine E-Mail an: rene.hertwig@bund-region-hannover.de

Wir bleiben dran und berichten weiter!


Wir freuen uns über Spenden für unseren Einsatz für mehr "Rechtsschutz für den Artenschutz" in der Region Hannover:

Kontoinhaber: BUND Region Hannover
Verwendungszweck: Artenschutz
IBAN: DE78 2501 0030 0045 7663 00
BIC: PBNKDEFF

 

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